Podcast vom Hamburger Abendblatt "Seetag: Sind Kreuzfahrten eigentlich noch zeitgemäß?"

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JanMartin
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Podcast vom Hamburger Abendblatt "Seetag: Sind Kreuzfahrten eigentlich noch zeitgemäß?"

Beitrag von JanMartin »

Podcast vom Hamburger Abendblatt: Seetag: Sind Kreuzfahrten eigentlich noch zeitgemäß?

Mit Wybcke Meier (Tui Cruises) und Karl J. Pojer (Hapag-Lloyd Cruises) im Gespräch (ohne Bezahlschranke / Dauer 57:26) ...
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Stephan Giesen
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Re: Podcast vom Hamburger Abendblatt "Seetag: Sind Kreuzfahrten eigentlich noch zeitgemäß?"

Beitrag von Stephan Giesen »

JanMartin hat geschrieben: Mi 24. Jul 2019, 21:03 Podcast vom Hamburger Abendblatt: Seetag: Sind Kreuzfahrten eigentlich noch zeitgemäß?

Mit Wybcke Meier (Tui Cruises) und Karl J. Pojer (Hapag-Lloyd Cruises) im Gespräch (ohne Bezahlschranke / Dauer 57:26) ...
Ok, eigentlich dürfte man bei der Überschrift garnicht erst weiterlesen. Welche weiterführenden Antworten erwartet man denn auf eine solche Frage von zwei Herrschaften, die mit Kreuzfahrten ihr Geld verdienen? Warum wurden zu einem solchen Gespräch nicht Vertreter von Umweltverbänden (muss ja nicht zwingend der Nabu sein) oder von Anwohnern geladen?

Werde mir den Podcast demnächst mal anhören, aber vorab schonmal ein paar Gedanken zu dem Gedruckten:

- 17,68kg Treibstoff (also Diesel, somit wohl ca. 15L) pro Kopf und Übernachtung...sieht Frau Meier also wohl als akzeptablen Wert an. Ich habe mir zugegeben noch keine Gedanken dazu gemacht, wieviel Treibstoff pro Kopf pro Tag verbraucht wird, halte den Wert aber für ziemlich hoch.
Herr Pojer rechtfertigt sich gleich daraufhin, dass Kreuzfahrtschiffe ja nur 1% der weltweiten Handelsflotte ausmachen...wie war das gleich mit den Äpfeln und Birnen? Dass Hapag-Lloyd ab 2020 jedoch komplett auf Schweröl verzichtet, ist sicher lobenswert. HaLo wird aber mit ihren Schiffen auch eine ganz andere Marge als die anderen Massentourismus-Reedereien haben und sich das eventuell auch eher leisten können. Aber immerhin!

- Batteriebetrieb ist "nach Wissen" von Herrn Pojer noch nicht ausgereift. Wenn mir als Reedereichef die Umwelt angeblich am Herzen liegt, weiß ich sowas aber genauer und kann es auch belegen und mutmaße nicht. So entsteht der Eindruck, dass er sich damit noch nicht wirklich beschäftigt hat. Das erwarte ich aber von einem Reedereichef, der u.a. sein Geld mit Expeditionskreuzfahrten verdient, wo eine intakte Umwelt die Grundlage bildet. Wenn ich mit dem Gedanken spiele, mir ein E-Auto zuzulegen, recherchiere ich doch auch intensiv und verlasse mich nicht auf die Aussage meines Nachbarn, der mal gelesen hat, dass...

- Landstrom in Altona konnte bislang nicht genutzt werden, weil es nicht rund um die Uhr bereit stand. Seit wann liegen Kreuzfahrtschiffe rund um die Uhr im Hafen? War es nicht vielmehr so, dass die Stromtarife uhrzeitabhängig waren und die Reedereien die höheren Kosten bislang gescheut haben?

- Die genannten Orte wie Venedig oder Dubrovnik werden also tatsächlich garnicht von den Paxen überrannt, sondern das wirkt nur so, weil die Schiffe so groß sind...ah ja! Das soll sie zB mal den Warnemündern erzählen! Und wenn sind sie alle mittels Landausflüge steuerbar. Also buchen alle Paxe Landausflüge und keiner geht mehr individuell an Land...glückliche Reeder!

- Expeditionen: Man kann einer Reederei keinen Vorwurf machen, wenn sie eine vorhandene Nachfrage bedient. Genauso wenig wie Autobauer auf den Bau von SUVs & Co. verzichten, solange die Nachfrage derart groß ist. Hier kann man nur auf die Vernunft der Kunden hoffen, wahrscheinlich jedoch vergeblich.

- Zu guter letzt: Eine Pier auf Helgoland bauen! Der nächste Schritt ist dann, dass TUI Helgoland kauft à la CoCoCay/RCCL und exklusiv für ihre Gäste nutzt...und die Helgoländer werden im Sommer nach Neuwerk oder Trischen umgesiedelt und dürfen im Winter ihre Insel wieder sanieren :lol:

Spass beiseite: Jedenfalls wird aus meiner Sicht die von der Zeitung gestellte Frage zum Thema zumindest objektiv nicht ansatzweise beantwortet...schade, da interessantes Thema!
Mit maritimen Gruß

Stephan
Hamburch
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Re: Podcast vom Hamburger Abendblatt "Seetag: Sind Kreuzfahrten eigentlich noch zeitgemäß?"

Beitrag von Hamburch »

StephanG2312 hat geschrieben: Do 25. Jul 2019, 00:38 - Expeditionen: Man kann einer Reederei keinen Vorwurf machen, wenn sie eine vorhandene Nachfrage bedient. Genauso wenig wie Autobauer auf den Bau von SUVs & Co. verzichten, solange die Nachfrage derart groß ist. Hier kann man nur auf die Vernunft der Kunden hoffen, wahrscheinlich jedoch vergeblich.
Ich finde es besonders ärgerlich, wenn sich Unternehmen hinter dieser Argumentation verstecken. Aus meiner Sicht ist es seit mindestens einer Dekade die vorrangige Aufgabe der Wirtschaft Nachfrage zu generieren. Vor allem für Produkte, von denen der Konsument bislang nicht wußte, dass er sie benötigt oder jemals benötigen würde. Beinahe niemand wollte damals ein Blackberry. Wirklich jeder benötigt heute ein Smartphone! Ich kann meines auch nicht mehr aus der Hand legen.
Spass beiseite: Jedenfalls wird aus meiner Sicht die von der Zeitung gestellte Frage zum Thema zumindest objektiv nicht ansatzweise beantwortet...schade, da interessantes Thema!
Sehe ich auch so.
Gruß

Christian

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Lion Prince
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Re: Podcast vom Hamburger Abendblatt "Seetag: Sind Kreuzfahrten eigentlich noch zeitgemäß?"

Beitrag von Lion Prince »

Was erwartet ihr, wenn man die Frösche fragt ob der Tümpel trockengelegt werden soll?
.
Ich habe den Verdacht, dass ist teuer bezahlte Werbung, nach dem ich mir das bis zum bitteren Ende angehört habe.
Volker Landwehr
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Re: Podcast vom Hamburger Abendblatt "Seetag: Sind Kreuzfahrten eigentlich noch zeitgemäß?"

Beitrag von Volker Landwehr »

StephanG2312 hat geschrieben: Do 25. Jul 2019, 00:38 - 17,68kg Treibstoff (also Diesel, somit wohl ca. 15L) pro Kopf und Übernachtung...sieht Frau Meier also wohl als akzeptablen Wert an. Ich habe mir zugegeben noch keine Gedanken dazu gemacht, wieviel Treibstoff pro Kopf pro Tag verbraucht wird, halte den Wert aber für ziemlich hoch.
Herr Pojer rechtfertigt sich gleich daraufhin, dass Kreuzfahrtschiffe ja nur 1% der weltweiten Handelsflotte ausmachen...wie war das gleich mit den Äpfeln und Birnen? Dass Hapag-Lloyd ab 2020 jedoch komplett auf Schweröl verzichtet, ist sicher lobenswert. HaLo wird aber mit ihren Schiffen auch eine ganz andere Marge als die anderen Massentourismus-Reedereien haben und sich das eventuell auch eher leisten können. Aber immerhin!
Da Diesel etwa 840 kg/m³ wiegt sind wir eher bei 21L je Passagier.
Ich habe mir mal die Mein Schiff 3 angeschaut. 2x Wärtsilä 12V46F und 2x Wärtsilä 8L46F mit insgesamt 48.000 KW bei einem SFOC (specific fuel oil consumption nach ISO) von 176 g/kWh. Das bedeutet bei voller Leistung 48.000x0,176x24=202.752 kg/Tag. Bei 2.506 Passagieren sind das 202.752/2506/0,84=96 l/Tag-pax.

Im Prinzip sagt das noch nicht viel aus. Der SFOC nach ISO ist der Verbrauch bei der maximalen kontinuierlichen Leistung (MCR) des Motors. Das ist nicht unbedingt der niedrigste Verbrauch. Zu dem kann mit den vier Motoren die Leistung über Zu- oder Abschalten einzelner Motoren im wirtschaftlichsten Bereich gehalten werden. Die Motoren haben eine Leistung von 28.000 kW, der Rest ist Hotelpower. Aber wo liegt der durchschnittliche Leistungsbedarf? Irgendwelche Ideen?

Allein 10.000 kW Hotelpower verbrauchen ca. 20 l/Tag-pax. Da scheinen mir die 21 L doch recht optimistisch
StephanG2312 hat geschrieben: Do 25. Jul 2019, 00:38 - Batteriebetrieb ist "nach Wissen" von Herrn Pojer noch nicht ausgereift. Wenn mir als Reedereichef die Umwelt angeblich am Herzen liegt, weiß ich sowas aber genauer und kann es auch belegen und mutmaße nicht. So entsteht der Eindruck, dass er sich damit noch nicht wirklich beschäftigt hat. Das erwarte ich aber von einem Reedereichef, der u.a. sein Geld mit Expeditionskreuzfahrten verdient, wo eine intakte Umwelt die Grundlage bildet. Wenn ich mit dem Gedanken spiele, mir ein E-Auto zuzulegen, recherchiere ich doch auch intensiv und verlasse mich nicht auf die Aussage meines Nachbarn, der mal gelesen hat, dass...
Aber wieviel können Batterien bringen? Irgendwie muss ja der Strom für die Batterien erzeugt werden, und da bleiben vermutlich nur die heißen Abgase wie bei Maersk Triple-e. Die Einsparung wäre für Reeder wahrscheinlich interessant, aber für die Umwelt?
StephanG2312 hat geschrieben: Do 25. Jul 2019, 00:38 - Landstrom in Altona konnte bislang nicht genutzt werden, weil es nicht rund um die Uhr bereit stand. Seit wann liegen Kreuzfahrtschiffe rund um die Uhr im Hafen? War es nicht vielmehr so, dass die Stromtarife uhrzeitabhängig waren und die Reedereien die höheren Kosten bislang gescheut haben?
Es waren die Kosten. Zur Steuerung des gesamten Stromverbrauchs sind die Stromkosten zeitlich gestaffelt. Ab einer bestimmen Stufe ist der Strom an Bord billiger zu erzeugen.
Ansonsten stimme ich Dir uneingeschränkt zu.
Gruß, Volker
Hamburch
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Re: Podcast vom Hamburger Abendblatt "Seetag: Sind Kreuzfahrten eigentlich noch zeitgemäß?"

Beitrag von Hamburch »

Der Stromverbrauch dieser Kisten ist so hoch, dass eine dauerhafte Versorgung die Netzstabilität gefährdet. Daher gibt es ein 2,5 Stunden Zeitfenster, in der die Landstromanlage genutzt werden kann.

https://www.ndr.de/nachrichten/hamburg/ ... om172.html
Gruß

Christian

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toni montana
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Re: Podcast vom Hamburger Abendblatt "Seetag: Sind Kreuzfahrten eigentlich noch zeitgemäß?"

Beitrag von toni montana »

Hamburch hat geschrieben: Do 25. Jul 2019, 12:43 Der Stromverbrauch dieser Kisten ist so hoch, dass eine dauerhafte Versorgung die Netzstabilität gefährdet.
Das steht in dem Artikel in keinster Weise. Es wird nur nicht länger genutzt, weil der Strom in den Netzentlastungszeiten viel teurer ist und die Reedereien das nicht einsehen. Das gleiche Spiel gibt's doch auch in Kiel bei der Color-Line - aber die haben sich jetzt zugunsten der Umwelt und gegen das Geld entschieden.
Schöne Grüße aus dem Münsterland!

Toni
Hamburch
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Re: Podcast vom Hamburger Abendblatt "Seetag: Sind Kreuzfahrten eigentlich noch zeitgemäß?"

Beitrag von Hamburch »

toni montana hat geschrieben: Do 25. Jul 2019, 14:24
Hamburch hat geschrieben: Do 25. Jul 2019, 12:43 Der Stromverbrauch dieser Kisten ist so hoch, dass eine dauerhafte Versorgung die Netzstabilität gefährdet.
Das steht in dem Artikel in keinster Weise. Es wird nur nicht länger genutzt, weil der Strom in den Netzentlastungszeiten viel teurer ist und die Reedereien das nicht einsehen. Das gleiche Spiel gibt's doch auch in Kiel bei der Color-Line - aber die haben sich jetzt zugunsten der Umwelt und gegen das Geld entschieden.
Das steht da schon, auch wenn ich es in meinen Worten vielleicht etwas deutlicher ausdrückte.
Grund dafür ist das sogenannte Hochlastzeitfenster, teilte der Senat in der Antwort auf eine Kleine Anfrage der Linken mit. Damit will die Bundesnetzagentur den Stromverbrauch steuern und die Stromnetze entlasten.
Zitat aus dem von mir verlinkten Artikel.

Edit: Nach wiederholter Lektüre des Artikels muss ich zugeben, dass ich den Teil falsch verstanden habe. Ich bezog oben zitierten Absatz auf Kreuzfahrtanläufe und nicht auf die netzweite Steuerung. Sorry dafür.
Gruß

Christian

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