Havarie und Bergung des TMS "WALDHOF" auf dem Mittelrhein.

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Flari
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Re: Havarie und Bergung des TMS "WALDHOF" auf dem Mittelrhei

Beitrag von Flari »

Peter Hartung hat geschrieben:Zunächst noch einmal: Staatsanwaltschaftliche Ermittlungen sind klar zu trennen von dem WSA-Untersuchungsbericht.
Warum? Für die allermeisten "Ermittlungen" der StA sind in diesem Fall die Ergebnisse des WSA massgeblich, bzw. die Ergebnisse der von dem WSA beauftragten Gutachten.
Dass der zuständige Staatsanwalt in der Presserklärung v. 22.08.2011 etwas "Unsinn" geschrieben hat, ist eine andere Sache.
Peter Hartung hat geschrieben:Der WSA-Bericht bestätigt die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft. Das Schiff war definitiv überladen. Diese Aussage versteckt sich in diesem Punkt aus dem Untersuchungsbericht:

· nach den von der Klassifikationsgesellschaft geprüften und genehmigten Stabilitätsunterlagen ist die Leckstabilität für TMS „Waldhof“ nur für Ladefälle bis zu einer Dichte der Ladung von rho = 1,62 t/m3 mit einem maximalen Tiefgang von 3,11 m nachgewiesen;
Rot von mir..

Das ist in meinen Augen so nicht richtig. Mit den Daten kann man alleine gar nichts anfangen oder herauslesen.
Warum das WSA diesen Absatz so gebracht hat, ist unverständlich.
Die Werte geben lediglich einen von drei für die Klassifizierung wichtigen Teildatensatz wieder und gelten bei einer Befüllung der Tanks 1,3,4,5 und 7 zu 80,2%, Tank 2 und 6 leer.
Prinzipiell gilt ADN 7.2.4.21.3:
Bei der Beförderung von Stoffen mit einer höheren als der im Zulassungszeugnis berücksichtigten
relativen Dichte wird der Füllungsgrad mit nachstehender Formel bestimmt:
zulässiger Füllungsgrad(%) = 100 * b / a
a = relative Dichte laut Zulassungszeugnis;
b = relative Dichte des Stoffes.
Und zusätzlich bei der Waldhof:
Von dem Stabilitätsbuch abweichende Ladefälle werden vom Germanischen
Lloyd nicht akzeptiert, es sei denn, ein vom Germanischen Lloyd zugelassener Ladungsrechner
befindet sich an Bord, der in der Lage ist, Ergebnisse basierend auf
der Längsfestigkeit, Intaktstabilität und Leckstabilität zu erstellen.
Peter Hartung hat geschrieben:Tatsächlich wurde 98-prozentige Schwefelsäure an Bord genommen und die hat nun mal eine Dichte von 1,85. Das bedeutet: Die "WALDHOF" war laut Zertifikat nicht für Transporte mit Dichte 1,85 zugelassen, hätte also überhaupt nicht losfahren dürfen.
Es wurde 96%ige Schwefelsäure befördert. Schon 100%ige hat lediglich 1,84kg/l bei 20°C.
Die kleinen Unterschiede seien nur der Ordnung halber angemerkt.
Entscheidender ist der Blödsinn, dass die Waldhof für den Transport von der Dichte nicht zugelassen wäre.
Du hast Doch selber richtig aus dem Kurzbericht zitiert gehabt.

Aus dem Zwischenbericht:
Die für den Transport gefährlicher Güter erforderliche „Stoffliste“ für TMS „Waldhof“ wurde vom
GL am 29.6.2010 ausgestellt. Sie beinhaltet u.a. auch „Schw efelsäure mit mehr als 51% Säure
(UN-Nr. 1830)“, gibt den maximalen Tankfüllungsgrad mit „97%“ vor und enthält u.a. folgende
zusätzliche Anforderungen:
- Die Dichte der Ladung muss im Beförderungspapier angegeben werden.
- Der Stoff ist nur für den Transport zugelassen, wenn der maximale Füllungsgrad nach Abschnitt 7.2.4.21.3 [ADNR 2009] reduziert wird.
-Vor Anwendung des Art. 7.2.4.21.3 des ADNR sind die Ergebnisse der strukturellen Festigkeitsberechnungen des Schiffes sowie die in den geprüften Stabilitätsunterlagen vorgeschlagenen Beladungsfälle zu berücksichtigen.
Und aus der Kurzfassung:
..der Transport von 96%-tiger Schwefelsäure durch TMS „Waldhof“ war nach dem
für das Schiff erteilten ADNR - Zulassungszeugnis i.V. mit der von der Klassifikationsgesellschaft
ausgestellten „Stoffliste“ (Unterabschnitt 7.2.2.8.3 ADNR 2009) zulässig;
Peter Hartung hat geschrieben:An dieser Tatsache, die die Staatsanwaltschaft ermittelte, ändert sich nichts! Insofern ist Deine Interpretation für diesen Teil des Zwischenberichts falsch. Also muss der Gutachter der Staatsanwaltschaft auch nicht von Dir "geblamed" werden! Festzuhalten bleibt: Das Schiff war definitiv überladen. Und: Wer genau liest, ist klar im Vorteil. :mrgreen: Also, Garsvik, einfach noch einmal diese Abschnitte im Thread und den Punkt im Zwischenbericht nachlesen. Die Überladung bleibt der Knackpunkt für die Verantwortlichen an Land wie an Bord der "WALDHOF".
Der StA hatte aus den ersten Untersuchungsergebnissen lediglich eine "Laienmeinung" konstruiert.
In den offiziellen Veröffentlichungen des WSA ist von einer Überladung bisher wohl nicht die Rede.
Für mich stellt sich die Frage, ob überhaupt jemand der Verantwortlichen eine evtl. "Unzulässigkeit" der Beladung erkennen konnte.
Die ADN verlangt da an sich eine Klarheit für die Beteiligten, die bisher nicht erkennbar ist.
Peter Hartung hat geschrieben:Ich hatte es Dir schon am 6.9.2011 zu erklären versucht. Leider offenbar erfolglos: viewtopic.php?f=2&t=3182&p=65775&hilit=Dichte#p65775
Das Posting ist nicht besser..
Insbesondere aber diese Anwerferei..

Gruss Flari
Gruss Flari
Tim S.
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Re: Havarie und Bergung des TMS "WALDHOF" auf dem Mittelrhei

Beitrag von Tim S. »

Peter Hartung
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Re: Havarie und Bergung des TMS "WALDHOF" auf dem Mittelrhei

Beitrag von Peter Hartung »

Moin!

@ "garsvik" und "flari":

Abschließend von mir dieser Link zur Staatsanwaltschaft Koblenz in Sachen Überladung der WALDHOF:

http://www.mjv.rlp.de/icc/justiz/nav/63 ... 0000000042

Daraus wie folgt (Hervorhebung von mir):

"Das Verfahren wegen Verdachts der fahrlässigen Tötung und fahrlässigen Körperverletzung und Gefährdung des Schiffsverkehrs richtet sich nunmehr u.a. gegen den Ausrüster und Beförderer, die Schiffsführer und deren verantwortliche Arbeitgeber. Diesen werden zunächst die umfangreichen Akten zur Verfügung gestellt und deren Einlassungen abgewartet werden."

Seit kurzem gibt es eine weitere Erklärung der Staatsanwaltschaft:

http://www.wiesbadener-kurier.de/region ... 795866.htm

Daraus mit Datum vom 22.3.2012 wie folgt:

"Ihr (der Staatsanwaltschaft) liegt neu ein Gutachten vor, mit dem die Beschuldigten entlastet werden sollen. Das teilte Oberstaatsanwalt Peter Gandner mit. Das umfangreiche Gutachten soll beweisen, „dass nicht ein Verhalten der Beschuldigten ursächlich für die Havarie gewesen ist“.

Dem steht der Zwischenbericht entgegen, den eine Kommission zur Havarie vorgelegt hat. Ihr Fazit: Der Tanker war mit den 2400 Tonnen Schwefelsäure nicht überladen – er war falsch beladen." Soweit der "Wiesbadener Kurier".

Bleibt abzuwarten, ob es zur Anklage vor Gericht kommt und wie das Urteil ausfallen wird.

Abschließend von mir zur Klarstellung:

Noch einmal - auch wenn ich mich wiederholen muss: Staatsanwaltschaftliche Ermittlungen sind klar zu trennen von dem WSA-Untersuchungsbericht.

Auf der Ebene des staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahren diskutiere ich die Schuldfrage nicht. Das ist ausschließlich Sache der Strafverfolgungsbehörden und des Gerichtes. Es gilt die Unschuldsvermutung. Wobei sich Einlassungen der Beschuldigten an die Staatsanwaltschaft und später das Gericht richten werden.

Auf der Ebene der Ursachenermittlung durch die Untersuchungskommission beim WSA (vergleichbar der BSU), die sich ausdrücklich nicht mit der Schuldaufklärung befasst, nehme ich am Meinungsaustausch teil im Rahmen meiner jeweiligen Kenntnisse und Erkenntnisse. Diese sind nicht in Stein gemeißelt, sondern verändern sich mit der sich entwickelnden Fakten-Lage.

Es war und ist nicht meine Absicht "Anwürfe" gegen wen auch immer zu richten. Notwendige Klarstellungen sollten nicht "übel" genommen oder als "Anwerferei" diskriminiert werden.

mfg Peter Hartung
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Garsvik
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Re: Havarie und Bergung des TMS "WALDHOF" auf dem Mittelrhei

Beitrag von Garsvik »

Nach vielen Monaten liest man noch immer wenig vom Fortgang der Untersuchungen. Immerhin war das Unglück am 13.1.2011. Vermutlich wird noch immer an einer Software gebastelt, die erklärt, warum das Schiff gekentert ist.
Der Zwischenbericht von Anfang des Jahres:
http://www.elwis.de/Service/TMS-Waldhof ... ericht.pdf
Zitat Wikipedia:
"Die Bauausführung des Schiffes, seine Ausrüstung und die Talfahrt bei erhöhten Wasserständen sowie der Transport von 96%iger Schwefelsäure wurden für den Havariezeitpunkt ebenso für in Ordnung befunden, wie die Anzahl und Qualifikation der Besatzung. Des Weiteren wurde aber festgestellt, dass zum einen die Stabilität sowohl durch Freie Oberflächen aufgrund falscher Ladungsverteilung, wahrscheinlich darüber hinaus auch noch durch zusätzliches Ballastwasser im Ballastwassertank 5, welches durch zwei Löcher in der Backbordkimm eintreten konnte, nicht den Vorschriften entsprach. Zum anderen war auch die Leckstabilität nicht in Ordnung, die bei einer Ladung mit einer Dichte von 1,62 t/m³ nur bis zu einem Tiefgang bis zu 3,11 Meter nachgewiesen war. Rechnerisch und nach Versuchen am Schiffsführungssimulator hätten die vorhandenen Stabilitätsmängel noch nicht zum Kentern geführt. Es werden weitere Untersuchungen zur dynamischen Stabilität durchgeführt."
http://de.wikipedia.org/wiki/Waldhof_(Schiff)

Ich hoffe ja noch, daß es jemals einen Abschlußbericht geben wird.

Garsvik
Tim S.
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Re: Havarie und Bergung des TMS "WALDHOF" auf dem Mittelrhei

Beitrag von Tim S. »

Abschlussbericht zur WALDHOF-Havarie wird am 14.2. vorgelegt
http://www.swr.de/nachrichten/rp/-/id=1 ... 6/1u3zp7r/
Paapa

Re: Havarie und Bergung des TMS "WALDHOF" auf dem Mittelrhei

Beitrag von Paapa »


"Waldhof"-Reederei fordert 3,5 Millionen Euro Schadenersatz

08.08.2013, 11:28 Uhr | dpa

Die Reederei des 2011 nahe der Loreley gekenterten Säuretankers "Waldhof" verlangt von einem Kapitän und seinem Schifffahrtsunternehmen aus Belgien Schadenersatz in Höhe von 3,5 Millionen Euro. Sie werfe dem Kapitän vor, die Havarie durch falsches Fahrverhalten ausgelöst zu haben, teilte das Amtsgericht St. Goar am Donnerstag mit. Nach Ansicht der Waldhof-Reederei habe das entgegenkommende belgische Schiff den Säuretanker stark behindert – er wäre sonst um die Kurve gekommen und nicht an der Engstelle havariert.
In dem Zivilprozess soll nach Angaben des Gerichts bei einer ersten Verhandlung am Donnerstag die Möglichkeit einer gütlichen Einigung ausgelotet werden. Sollte es nicht dazu kommen, muss geprüft werden, ob die vorgelegten Gutachten für eine Entscheidung ausreichen oder ob eine Beweisaufnahme nötig wird.
Das Schiff mit rund 2400 Tonnen Schwefelsäure an Bord war in der Nacht zum 13. Januar 2011 auf dem Mittelrhein gekentert. Zwei Besatzungsmitglieder kamen ums Leben. Dem Untersuchungsbericht der Behörden zufolge hatte vor allem eine falsche Beladung der "Waldhof" zu dem Unfall geführt. Das Schiff war dadurch instabil geworden und wurde von einer gefährlichen Strömung ins Wanken gebracht.

Quelle: T Online
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