Wie weiter mit dem Kreuzfahrt-Gigantismus?

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Peter Hartung
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Wie weiter mit dem Kreuzfahrt-Gigantismus?

Beitrag von Peter Hartung »

Moin!

Im Pazifik treibt die "CARNIVAL SPLENDOR", eines der größten Kreuzfahrtschiffe, mit über 4.000 Menschen an Bord manövrierunfähig vor der Küste von Kalifornien. Die Versorgungssysteme an Bord brachen zusammen. Fortlaufende Berichterstattung im "Unglücks-Thread": http://www.forum-schiff.de/phpBB3/viewt ... start=1710
sowie dieser Bericht der "Los Angeles Times": http://www.latimes.com/news/local/la-me ... 0122.story

Bild
US-Navy Photo 8.11.2010. Public domain.
Ein weiteres Foto der US-Navy hier:
http://www.navy.mil/management/photodb/ ... 4M-067.jpg


Das Ereignis zeigt, dass ein Brand im Maschinenraum eine ganze "schwimmende Stadt" lahm legen kann und schon ist es aus mit Luxus und Event, wenn die Klospülung nicht mehr funktioniert und das Bord-Restaurant nur noch kalte Sandwiches ausgeben kann. Von Schlimmerem gar nicht zu reden.

Wie soll es weiter gehen mit dem Kreuzfahrt-Gigantismus? Welche zusätzliche Ressourcen zur Erhöhung der Ausfall-, Funktions- bzw. Betriebssicherheit benötigt ein Kreuzfahrer, der viertausend Leute an Bord versorgen muss? Wie geht es weiter mit dieser Art von Schiffstourismus, dessen jüngstes Produkt "DISNEY DREAM" zur Zeit bei der Meyer-Werft fertiggestellt wird?

Dies könnte ein spannender Diskussions-Thread werden.

mfg Peter Hartung

Motto des Tages: A ship in harbor is safe, but that is not what ships are built for. John A. Shedd
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Globus
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Re: Wie weiter mit dem Kreuzfahrt-Gigantismus?

Beitrag von Globus »

Hallo !

Es muß kein Brand sein, es kann auch eine defekte Karte in einem Computer sein und schon haben wir einen black-out.

Es gibt heute zwei Arten von Urlaubern :

Die, die viel sehen wollen.
Die, die sich amüsieren wollen.

Man wird zwei Typen von Schiffen bauen :

Kleine Schiffe, die überall hoch können. Die sehr teuer sind für den Urlauber.

Große Schiffe, mit kleinem Antrieb, die nur noch Menschenmassen vergnügen sollen. Las Vegas + Ballermann in einer Hülle.

Diese Entwicklung zeichnet sich schon ab.

Die Menschenmassenschiffe bleiben heute schon immer in Landnähe. Bis auf die Queens, die aber auch noch Schiffe sind.

Man wird diesen, immer größer werdenden Schiffen, keine Fahrterlaubnis für große Fahrt mehr geben, sondern nur noch für Küstenfahrt. Was den Urlaubern sogar recht ist.
Es wird die Zeit kommen, wo diese Schiffe keine Schiffe mehr sind, sondern nur noch ankernde Pontons. Diese werden dann von Schleppern ab und zu in einen anderen Hafen oder Ankerplatz verholt.


Gruß Globus.
ArneKiel

Re: Wie weiter mit dem Kreuzfahrt-Gigantismus?

Beitrag von ArneKiel »

Moin,

die Schiffe werden sicher noch größer werden um den Paxen jeden erdenklichen Komfort bieten zu können, in der Endphase kommen wir dann vermutlich den von Globus
erwarteten Bargen mit Hotelaufbau nahe. Verglichen mit den Schiffen von RCCL (max 6.400 Paxe) ist die Splendor (normal 2.974, max 3.783 Paxe) doch noch ziemlich klein.

Ein derartiger Brand im Maschinenraum, bei dem alle Generatoren ausfallen, kann allerdings auch auf einem "kleinen" Kreuzfahrer wie z.B. der EUROPA die gleichen Auswirkungen wie auf der
SPLENDOR haben. Inwieweit redundante Generatorensysteme, die an verschieden Positionen im Schiff liegen, helfen können, sollte man erörtern.
Globus
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Re: Wie weiter mit dem Kreuzfahrt-Gigantismus?

Beitrag von Globus »

Die vorschriften werden immer lascher. Vom Reeder vorgeschlagen und von der Klassifikation abgesegnet.

Z.B. hatte man früher 3 Hauptgeneratoren und, falls diese Ausfallen, einen Notgenerator für das Notwendigste.

Heute baut man (Beispiel) drei Generatoren ein und erklärt einen davon zum Notgenerator. (Hat ein eigenes Sytem).


Also hat man zwei Hauptgeneratoren und einen Notgenerator, wenn man von der Notfallseite fragt. (GL, SBG, usw).

Fragt der, der für den Betrieb zuständig ist, hat man drei Hauptgeneratoren.

Egal, von wo man guckt, alles in Ordnung.


Über den wirklichen Ausfall des jetzt treibenden Schiffes, ist sicher nur die Medienwahrheit bekannt. Passagierschiffe der modernen Art haben verschiedene Generatorstationen und können, bei Ausfall eines Systems, so geschaltet werden, dass ein nicht havariertes alles übernimmt.
Zur Not übernimmt der, auf jedem Schiff vorhandene, Wellengenerator. Mit dem kann man bis in jeden Hafen fahren.

Möglicherweise liegt es auch an der Unkenntnis der Maschinenbesatzung über die elektronischen Schaltmöglichkeiten. Da hängt irgendwo im MKR an einer Schalttafel ein kleiner Drehschalter, mit dem sämtliche Schaltmöglichkeiten möglich sind. Aber, er wurde noch nie benutzt und ist somit nicht bekannt.

Man müßte erstmal mehr erfahren über die Ursache und den Schaden. Aber, WIR, die Öffentlichkeit, werden die Letzten sein.


Gruß Globus
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Schmitty
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Re: Wie weiter mit dem Kreuzfahrt-Gigantismus?

Beitrag von Schmitty »

@ Globus -OT:
Interessantes Posting, ich habe nur eine Anmerkung dazu:

Ich kann den Ausbildungsstand der Maschinenbesatzung nicht einschätzen. Das kann wohl keiner hier. Wir sind uns sicher einig, dass es sich um ein komplexes System handelt und vielleicht kann nicht JEDER, ALLES wissen. Aber da das Schiff ja jetzt schon seit etlichen Stunden ohne Generatoren treibt und man sicherlich die Möglichkeit gehabt hätte, nachzuforschen bzw. jemanden zu Fragen, der die Maschine kennt (Konstrukteur bzw. Erbauer) gehe ich davon aus, dass es ein schwerwiegenderes Problem ist...

Back to topic.:
Ich denke auch, dass die aktuelle Größe der Schiffe noch nicht das Ende der Fahnenstange ist. Größer geht immer, wenn die Nachfrage stimmt. Das die Schiffe so unverschämt schnell größer geworden sind in den letzten 2 Jahrzehnten lässt vermuten, dass man einfach noch nicht genug empirische Daten hat um alles im Voraus zu berücksichtigen. Es ist ein alt bekanntes Mittel Probleme dann zu lösen, wenn sie auftreten. Man wird sicherlich in Zukunft darüber nachdenken, Schiffssysteme höherer Priorität besser an Bord zu "streuen", um einen gleichzeitigen Ausfall zu verhindern...

Gruß
Christian
Gruß
Christian
KaiR
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Re: Wie weiter mit dem Kreuzfahrt-Gigantismus?

Beitrag von KaiR »

Hallo,

es war ja offensichtlich nicht so, dass alle Generatoren ausfielen. Zumindest funken konnte man zu jeder Zeit und die Beleuchtung funktioniert auch. Auch Toiletten und kaltes Wasser konnten repariert werden. Lediglich warmes Wasser und Energie zum Kochen gibt es nicht mehr und die Kühlung für die Nahrungsmittelvorräte gab es nicht mehr.

Also kann man für die Passagiere nicht von einer wirklichen Notsituation sprechen. Und Maschinenausfälle sind bei einem Brand nicht wirklich zu vermeiden.

Grüße

Kai
Grüße,

Kai
Globus
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Re: Wie weiter mit dem Kreuzfahrt-Gigantismus?

Beitrag von Globus »

Schmitty hat geschrieben:@ Globus -OT:
Interessantes Posting, ich habe nur eine Anmerkung dazu:

Ich kann den Ausbildungsstand der Maschinenbesatzung nicht einschätzen. Das kann wohl keiner hier. Wir sind uns sicher einig, dass es sich um ein komplexes System handelt und vielleicht kann nicht JEDER, ALLES wissen. Aber da das Schiff ja jetzt schon seit etlichen Stunden ohne Generatoren treibt und man sicherlich die Möglichkeit gehabt hätte, nachzuforschen bzw. jemanden zu Fragen, der die Maschine kennt (Konstrukteur bzw. Erbauer) gehe ich davon aus, dass es ein schwerwiegenderes Problem ist...

Wie ich schon sagte, man müßte mehr wissen.

Ich weiß nicht, wie das Ablösesystem auf dem Schiff ist. Beim deutschen Reeder ist das so :


Der Ltd.Ing. (Ablöser) geht an Bord. Fährt zwei Tage zur Einweisung mit. In der Zeit weiß er gerade mal, wo seine Kammer und der Maschinenraum ist.


Der 2. Ing. (Ablöser) löst den 2. Ing. ab. Ohne Einweisung. Es sind ja andere an Bord, die ihm alles zeigen.


Usw, usw. Kommt ganz drauf an, wie viele Ings an Bord sind.


Eine wirkliche Einweisung findet auf deutschen Schiffen nie statt.
Ich weiß nicht, wie das auf diesem Schiff funktioniert, aber ich bin mir ziemlich sicher, dass es ähnlich schlecht und ungenügend läuft. Eine echte Einweisung über Monate wäre viel zu teuer.


Jetzt kann man natürlich sagen, der Elektriker hätte das wissen müssen! Aber, wie lange war der an Bord?

Sehr viele Havarien/Schäden sind durch die Besatzung selbst verschuldet oder konnte durch Unwissenheit nicht verhindert werden.
Wer heute kaum sein Videogerät programmieren kann, muß auf einem Schiff die gesamte Anlage, jedes Ventil, jede Pumpe, jeden Diesel, alles vom MKR aus per Thrackball steuern. Die Leute sind fast alle völlig überfordert. Dazu die kurzen Fahrzeiten von Urlaub bis Urlaub! Die dazu verleiten, sich nicht mehr allzu sehr, mit diesem Betrieb abzugeben.
Dazu kommt der Glaube, die Automatik wirds schon machen. Sichtkontrollen sind kaum noch üblich. Die Automatik wird sich schon melden.
Heute sitzt der Waching. im MKR und wartet auf Alarme. Vom Bilgenalarm bis zum Laufbuchsentemperaturalarm.

Gruß Globus
Globus
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Re: Wie weiter mit dem Kreuzfahrt-Gigantismus?

Beitrag von Globus »

KaiR hat geschrieben:Hallo,

es war ja offensichtlich nicht so, dass alle Generatoren ausfielen. Zumindest funken konnte man zu jeder Zeit und die Beleuchtung funktioniert auch. Auch Toiletten und kaltes Wasser konnten repariert werden. Lediglich warmes Wasser und Energie zum Kochen gibt es nicht mehr und die Kühlung für die Nahrungsmittelvorräte gab es nicht mehr.

Kommunikation mit Landstationen geht über Notstrom. Entweder Akku oder Notdiesel. Ebenso die Notbeleuchtung, die der Passagier nicht als Norbeleuchtung erkennt. Sanitärppen auf Passagierschiffen funktionieren auch über Notstrom.
Robert67
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Re: Wie weiter mit dem Kreuzfahrt-Gigantismus?

Beitrag von Robert67 »

Ich bin der Meinung, diese Riesenkisten müssen mehrere getrennte Maschinenräume haben.

Wenn da 6 Klopper drin stehen, mind. 2, besser 3 MR, räumlich mindestens 1 Sektion getrennt.

Das mit dem Wellengenerator, wie weiter oben beschrieben, geht nicht bei Pods.
Oder Dieselelektrisch.

Nur getrennte System welche zur Not umgeschaltet können helfen da weiter.

Die Komplexität von Fahrgastschiffen ist einfach sehr gross.

Strom, Wasser, Abwasser, Klimatechnik alleine sind schon eine Welt für sich.
Dazu der eigentliche Antrieb.

Das kann von 1 oder 2 Ings. nicht mehr alles übersehen werden.

Ich selber war bei eine Binnenreederei, welche auch Kabinenschiffe hatte.
Selbst diese relativ kleinen (200 Pax) sind technisch schon recht anspruchsvoll.

Damals wurden welche verkauft, da haben die 1. Maschinisten z.T. gleich die Reederei gewechselt und sind auf ihren Schiffen weitergefahren.
Gegen hohe Gage :mrgreen:

Weil da sonst niemand durchblickte.
Zu viele Spezialitäten.

Bei Fahrgastschiffen liegt halt keine Bedienungsanleitung im Handschuhfach.


Zu den Riesenkisten.
Bei dem Fahrgastprofil könnte man die Dinger auch an Land stellen und einfach eine Leinwand drumherum und dort das Meer zeigen.

Robert
Spatenpauli
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Re: Wie weiter mit dem Kreuzfahrt-Gigantismus?

Beitrag von Spatenpauli »

Jan Carl Nielsen hat geschrieben:SOweit ich das weiß und gehört habe baut z.B. Meyer schon lange Kreuzfahrtkisten mit getrennten Maschinenräumen. Die neuen Celebrity-Schiffe haben z.B. alle getrennte Maschinenräume.
Schau Dir mal Schiffe von Meyer und von Fincantieri an, dann sieht man schon von aussen, wer die besseren Schiffe baut. Wenn man denn an Bord ist, sind es einfach zwei verschiedene Welten. Original Spruch eines Schweizer, bin ich hier im Königspalast. :oops:
MfG aus Bremen
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