Guten Abend!
Die Bremer Redaktion der "taz" hat einiges zum tiefen Fall des Niels Stolberg zusammengetragen, das in den nachfolgenden Texten dokumentiert ist:
taz (Redaktion Bremen) vom 28.02.2011
SCHLUCKEN UND GESCHLUCKT WERDEN
Oaktree will Beluga schlucken
Investmentfonds aus den USA will die Mehrheit an der Bremer Reederei Beluga Shipping übernehmen. Bei der Beluga-Gruppe kann man dazu "aktuell nichts sagen". VON KLAUS WOLSCHNER
Wird die renommierte Bremer Schwergut-Reederei Beluga Shipping von einem US-amerikanischen Finanzinvestor übernommen? Die Firmensprecherin von Beluga, Veronika Beckhusen, vertröstete Anrufer den ganzen Vormittag, um dann am Nachmittag mitzuteilen, sie könne dazu "aktuell nichts sagen".
Die Frage stellt sich, weil der US-Finanzinvestor Oaktree Capital Management in der vergangenen Woche beim Bundeskartellamt offiziell angefragt hat, ob es kartellrechtliche Bedenken gebe, wenn Oaktree mehr als 50 Prozent der Anteile von Beluga übernimmt. Das Bundeskartellamt erklärte nach kurzer Prüfung erwartungsgemäß, es gebe keine Bedenken - und machte die Anfrage öffentlich. Oaktree war vergangenen Juli bei Beluga eingestiegen und hatte zunächst rund ein Drittel der GmbH-Anteile übernommen. Inzwischen sind es 49,5 Prozent. Wann dieser zweite Schritt der Firmenübernahme passierte, wollte die Unternehmenssprecherin auch nicht mitteilen.
Im vergangenen September wurde in Bremen das Gerücht verbreitet, Beluga Shipping, der Weltmarktführer unter den Schwergutreedereien, wolle den US-amerikanischen Konkurrenten Intermarine übernehmen. Oaktree sollte die Übernahme finanzieren. Intermarine ist mit 28 Schiffen etwa halb so groß wie Beluga und gehört mehrheitlich dem US-Investmentfonds New Mountain Capital. Während in Bremen berichtet wurde, es habe schon Gespräche gegeben, dementierte der Finanzchef von New Mountain Capital damals: "Intermarine ist nicht zu verkaufen." Es habe keine keine Verhandlungen mit Beluga gegeben.
Dass Oaktree mit dem Beluga-Chef Nils Stolberg nicht vor der offiziellen Anfrage beim Kartellamt gesprochen hat, ist kaum vorstellbar - insbesondere weil es sich dabei um eine Formsache handelt, die Zustimmung des Kartellamtes stand nicht ernsthaft in Zweifel.
Dass das sonst so professionelle Image-Marketing von der Veröffentlichung so sehr überrascht wurde, deutet darauf hin, dass die Verhandlungen noch laufen. Die Details der Übernahme dürfte vor allem Dutzende von Sozial- und Kulturprojekten interessieren, denen der Beluga-Chef im Rahmen eines umfangreichen "Social Response"-Sponsorings Jahr für Jahr mehrere Millionen zukommen ließ. Dazu gehört das Galerie- und Künstlerhaus Spiekeroog, die "Beluga School for Life" in Thailand oder die Oberstufe "Beluga Collage". Die Beluga-Reederei unterstützt das Projekt "START", das Stipendien für Migrantenkinder mit sehr guten schulischen Leistungen gewährt, das Frauenhaus in Oldenburg, das Theaterprojekt Schnürschuh und viele andere. Stolberg gründete den "Bremer Fonds e.V.", der Projekte für Kinder und Jugendliche aus sozial schwachen Stadtteilen fördert.
Die 1995 gegründete Firma Beluga erreichte im Jahr 2008 einen Umsatz von 418 Millionen Euro und wies einen operativen Gewinn von 68 Millionen Euro aus. Im "Krisenjahr 2009" konnte Beluga seinen Umsatz mit 415 Millionen Euro nahezu stabil halten, die Gewinne gingen auf 20 Millionen Euro zurück. Dass die Krise des Welthandels-Umsatzes an seiner Firma weitgehend vorbeigegangen sei Folge der starken Spezialisierung aufs Schwergut-Segment erklärte Stolberg. 2009 bezog die Reederei eine prunkvolle Büro-Immobilie auf dem Teerhof mit edlem Restaurant auf dem Dach. Als er 2010 ein Drittel der Firma an die US-Investoren verkaufte, war das das erste Signal für Probleme hinter der blendenden Kulisse. Als Oaktree 49,5 Prozent übernahm, verschwieg Stolberg das vorsichtshalber.
+++
taz (Redaktion Bremen) vom 03.03.2011
KOMETENHAFTE KARRIERE
Stolberg am Ende
Bremens renommiertester Neu-Reeder Niels Stolberg scheidet aus dem von ihm aufgebauten Unternehmen Beluga aus. Ein amerikanischer Hedgefonds übernimmt. VON KLAUS WOLSCHNER
Niels Stolberg neigte zu Omnipräsenz. Viele fanden das gut für Bremen.
Als Niels Stolberg am Mittwoch aus dem Aufsichtsrat von Werder Bremen zurücktrat, da begründete er das noch mit der Bemerkung, er wolle sich auf sein eigentliches Geschäft konzentrieren - Beluga. Einen Tag später ließ er mitteilen, er habe sich auch dort "aus persönlichen Gründen" von der Geschäftsführung beurlauben lassen.
Am Montag war sein Unternehmen in die Schlagzeilen gekommen, nachdem das Bundeskartellamt mitgeteilt hatte, der amerikanische Investmentfonds Oaktree habe nachgefragt, ob es kartellrechtliche Bedenken gebe, wenn er über 50 Prozent der Beluga GmbH übernehme. Das Bundeskartellamt sieht erwartungsgemäß keine.
Schon Mitte Februar war Oaktree-Chef Roger Iliffe als weiterer Geschäftsführer im Handelsregister eingetragen worden. Offenbar in demselben Zuge hatte Oaktree seine Anteile - seit dem letzten Sommer hält Oatree ein Drittel - auf 49,5 Prozent aufgestockt. Die Beluga-PR, die sonst den Eindruck großer Offenheit zu erwecken versuchte, hatte dies nicht kommuniziert - wohl um Irritationen und Nachfragen zu vermeiden.
"Chief Restructuring Officer" sei Iliffe gewesen, hieß es gestern. Offenbar war Mitte Februar noch beabsichtigt, zusammen mit Stolberg das Unternehmen zu sanieren. In diversen Unterfirmen - die Beluga-Gruppe hat mehr als 100 Eintragungen im Bremer Handelsregister - wurde nur der Mit-Geschäftsführer Emilio Reales-Bertomeo durch Iliffe ersetzt. Was Iliffe in diesen zwei Wochen gesehen hat, hat offenbar zu der Anfrage beim Bundeskartellamt und zu dem Ausscheiden von Stolberg aus seinem Unternehmen geführt.
Oaktree will laut Deutschland-Sprecherin Tina Mentner eine "umfassende finanzielle Restrukturierung" einleiten und in "vertraulichen Gesprächen" Gläubiger und Stakeholder für die Zukunftssicherung des Unternehmens gewinnen.
Nicht nur das Seefahrt-Geschäft sei schwieriger gewesen als Beluga gedacht hatte, so die Oaktree-Sprecherin, es gebe auch Faktoren, die "im Unternehmen liegen". Auf jeden Fall wolle man sich "auf das operative Business konzentrieren". Heißt: Nicht nur Werder Bremen verliert damit wohl einen seiner "Top-Sponsoren".
Am Montag hofften die Handballerinnen vom VFL Oldenburg noch, dass ihr Sponsoring nicht betroffen ist. Das Künstlerhaus Spiekeroog war ein beinahe privates Hobby von Stolberg, der selbst sagte, er habe sich in die beschauliche Insel verliebt. Das Musikfest und Bremer Musiker hatte er immer wieder engagiert, um auf Spiekeroog für kulturelle Angebote zu sorgen - in den Hotels und Restaurants, die unter dem Dach der Inselzauber GmbH betrieben werden, Firmensitz: Teerhof 59 in Bremen.
Vor zwei Jahren, als die ersten Horror-Botschaften der globalen Finanzkrise kursierten, gründete Stolberg das "Beluga College", eine pädagogisch ambitionierte private Oberstufe. Über den "Bremer Fonds e.V." unterstützte Stolberg diverse Projekte in sozial benachteiligten Stadtteilen.
Noch halten sich die neuen Herren der Beluga-Shipping, die die Restrukturierung von den USA aus betreiben, nicht so weit, eine Aussage über das Schicksal der Abteilung "Social Response Marketing" treffen zu können.
+++
taz (Redaktion Bremen) vom 03.03.2011
KOMMENTAR: ZWEISCHNEIDIGES ENGAGEMENT
Folgen eines Abgangs
KOMMENTAR VON BENNO SCHIRRMEISTER
Niels Stolberg hat, so lange er Herr der eigenen Reederei war, immer einfach das getan, was er für richtig hielt. Mitunter rücksichtslos - etwa auf Spiekeroog, wo seine Präsenz als erdrückend empfunden wurde. Oft polarisierend - etwa, wenn er, Piratenopfer, nach Berlin düste und nassforsch den Schutz seiner barbaduanisch geflaggten Frachter durch die Bundesmarine forderte.
Aber es war eben auch sehr vieles sehr gut: In Elsfleth und Bremen hat Stolberg Nautik-Professuren gestiftet, er ist Werder-Sponsor, er hat das Frauenhaus und die Tafel in Oldenburg, das Kinderhospiz Jona, den Martinsclub und das Klimahaus unterstützt, in der Stadt eine eigene Schule aus dem Boden gestampft - und eine in Thailand, die Beluga School for Life für Tsunami-Opfer.
Kurz: Er hat sich unverzichtbar gemacht. Dass eine Kapitalmanagement-Gesellschaft wie Oaktree ähnliche Ambitionen verfolgt - unwahrscheinlich. Das zeigt die Zweideutigkeit von ehrenwertem bürgerschaftlichem Engagement: Dort, wo es als Alternative zu öffentlichen Verpflichtungen gefordert wird, kann es zwar Löcher flicken und einen schleichenden Rückzug des Staates begünstigen. Aber eben nur so lange alles gut geht. Wenn nicht, wirds zur Zerreißprobe fürs soziale Netz.
+++
http://de.wikipedia.org/wiki/Oaktree_Capital_Management
http://www.oaktreecapital.com/
+++
Nebenbei: An meinem hessischen Wohnort qualmt bis Mitte dieses Jahres noch eine Holzwerkstoff-Fabrik. 120 Mann arbeiten dort. Im Juni wird die Bude dicht gemacht. Kapazitätsabbau. Sie gehört mit vielen deutschen Standorten zu einem weltweit tätigen Konzern (Deutschland, Polen, Russland, USA) mit 22 Standorten in 6 Ländern und hat eine Milliarde Bankschulden. Mit beteiligt: One Equity Partners LLC (OEP), ein Private Equity-Unternehmen der zweitgrößten US-amerikanischen Bankengruppe JPMorgan Chase & Co. (Der Fonds hält insgesamt Unternehmensanteile im Wert von 5 Mrd. US-Dollar). Dieser Finanzinvestor One Equity Partners hält über 20 % der Anteile des Holz-Konzerns. Vor einigen Jahren wurden mehrere Spanplattenfabriken in den USA übernommen. Doch dort lahmt die Baukonjunktur. Der Konzernumsatz sank 2009 deutlich von 1,73 Mrd. EUR auf 1,38 Mrd. EUR. Bei einer Milliarde Schulden! In den nächsten Tagen wird entschieden, ob der Konzern in die Insolvenz geht oder ob die Banken die Kredite verlängern. Die USA-Beteiligung soll abgestoßen werden. Also: Beluga ist weder vom Volumen noch von der Kapital-Konstellation etwas Besonderes. Ich glaube, das "Besondere" macht sich fest an der schillernden Persönlichkeit von Niels Stolberg. Aber es war ja nicht der einzige Abgang einer "Lichtgestalt" in diesen Tagen.
mfg Peter Hartung